Skalenübergreifende Modellierung von Mikrostrukturänderungen im Beton und Schädigungsanalyse von Betonstrukturen zur Identifizierung von Coda-Signalen
Im Rahmen dieser Forschungsgruppe ist das Ziel dieses Teilprojektes, eine modellbasierte Charakterisierung der Degradation von Beton auf mehreren Skalen zu etablieren und eine Klassifizierung des Schädigungsgrades anhand simulierter und gemessener Coda-Daten zu ermöglichen.
Projektbeschreibung
Die hohe Empfindlichkeit der Coda-Wellen auf schwache mikrostrukturelle Veränderungen im Beton eröffnet die Möglichkeit, Schädigungsereignisse im Frühstadium zu identifizieren, die der Makrorissbildung und dem Versagen von Betonstrukturen vorausgehen. Die frühzeitige Erkennung mikrostruktureller Veränderungen in Beton- und Stahlbetonkonstruktionen kann als Frühwarnsystem dienen, um vorsorglich Instandsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und dadurch hohe Kosten für eine umfangreiche Sanierung von Infrastrukturbauwerken zu vermeiden. Der Stand der Coda-Wellen-Technik zur Beurteilung der strukturellen Integrität von Betonstrukturen befindet sich jedoch noch in einem frühen Stadium. Im Rahmen dieser Forschungsgruppe FOR 2825 ist das Ziel des Teilprojektes RUB1, eine modellbasierte Charakterisierung der Degradation von Beton auf mehreren Skalen zu etablieren und eine Klassifizierung des Schädigungsgrades anhand simulierter und gemessener Coda-Daten zu ermöglichen. In der ersten Phase des Projekts hat RUB1 ein Werkzeug zur Erzeugung realistischer Betonmikrostrukturen und ein mehrskaliges Modell reduzierter Ordnung zur Simulation von Schädigung in Beton entwickelt. Anhand synthetischer Coda-Wellen, die mittels virtueller Betonproben generiert wurden, ist es gelungen, einen Klassifikator zu trainieren, mit dem spezifische Stadien der mikrostrukturellen Veränderungen wie reversible Verformung, verteilte Mikrorisse und lokalisierte Makrorisse identifiziert werden. In der zweiten Phase des Projekts wird zunächst das Mehrskalenmodell reduzierter Ordnung für die Schädigungssimulation erweitert, um Umwelteinwirkungen wie Temperatur und Feuchtigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird der Schädigungsklassifikator auf der Materialskala erweitert und mit zusätzlichen Attributen versehen, um Umwelt- und Randeffekte zu filtern. Der dritte Schwerpunkt ist die Übertragung der auf der Materialskala und der Probekörperskala abgeleiteten Coda-Merkmale (Identifikation der Schadensklasse und der Belastung) auf die Strukturskala. Schließlich wird die Fähigkeit des modellbasierten Ansatzes zur Identifikation von Schädigung durch Anwendung auf die Demonstratorprojekte validiert.
Bisherige Ergebnisse
In der ersten Phase des Coda-Teilprojekts RUB1 wurde eine virtuelle Methodik zur Erkennung von Schäden anhand von Ultraschallsignalen entwickelt, die eine skalenübergreifende Schadenssimulation, Vorwärtssimulationen der Wellenausbreitung mit Unterstützung von BU und eine auf maschinellem Lernen basierende Schadensklassifizierung umfasst. (Abb. 1).
Generierung von realistischen virtuellen Betonproben
Um realistische Bruchvorgänge in Beton zu simulieren, wurde ein virtueller Betonmikro- und -mesostrukturgenerator entwickelt, der verteilte Mikrorisse mit Hilfe eines multiskaligen mikromechanischen Modells simuliert. Der Algorithmus ist in der Lage, äußerst realistische Betonmesostrukturen zu erzeugen, wenn eine Korngrößenverteilung vorgegeben ist. Die groben Gesteinskörnungen werden als Polyeder mit mehreren Flächen, verschiedenen Seitenverhältnissen und konkaven Vertiefungen modelliert (Abb. 2a und 2b). Diese werden mit Hilfe eines hierarchischen sequentiellen Zufallsadsorptionsalgorithmus unter Berücksichtigung der Korngrößenverteilung zu einer Mörtelmatrix zusammengesetzt (Abb. 2e). Abb. 2c zeigt ein großformatiges Betonmodell, das durch Stapeln von 8 Kopien eines einzelnen Betonblocks unter Ausnutzung der Periodizität der Mesostruktur erzeugt wurde. Abb. 2f und 2g zeigen einen Vergleich zwischen den tatsächlichen und den numerischen Betonquerschnitten. Eine Python-Implementierung von PyCMG wurde entwickelt und ist als Open Access/Source unter pycmg.readthedocs.io verfügbar.
Generierung geschädigter Betonproben mit Hilfe der Multiskalenmodellierung
Das zentrale Thema der Forschergruppe RUB1 ist die Identifizierung des Schädigungsgrades von Beton mit Hilfe von diffusen Ultraschall-Codawellen. Um virtuelle Betonproben mit verschiedenen Schädigungsgraden zu erzeugen, wurde in der ersten Phase des Projekts ein Multiskalenmodell reduzierter Ordnung entwickelt. Auf der Skala des Zementsteins wird das Mikrorisswachstum mit einer Kombination aus Kontinuumsmikromechanik und linearer elastischer Bruchmechanik modelliert. Das mikromechanische Modell wird in ein auf Lippmann-Schwinger basierendes Mesomodell reduzierter Ordnung für Beton integriert. Eine schematische Darstellung des Multiskalenmodells ist in Abb. 3 zu sehen.
Simulation der Schädigung bei uniaxialer Druckbelastung
Die Ergebnisse einer einachsigen Drucksimulation sind in Abb. 4 zusammengefasst. Abb. 4a zeigt den Betonprobekörper reduzierter Ordnung. Wie in Abb. 4b zu sehen ist, stimmt die Modellvorhersage mit den experimentellen Daten (gemessen von TUM1) überein. Die Modellvorhersagen zeigen, dass Mikrorisse vorwiegend in der Nähe der Gesteinskörnung als Folge lokaler Spannungskonzentrationen auftreten, was mit den experimentellen Beobachtungen übereinstimmt. Es ist anzumerken, dass i) kein implizites makroskopisches konstitutives Gesetz verwendet werden muss und ii) Mikrorissbildung eine direkte Folge der mesoskopischen Heterogenität und bereits vorhandener Defekte im Beton ist. Die Reduzierung der Modellordnung hat eine erhebliche Beschleunigung ermöglicht, die 10⁴ mal schneller ist als eine entsprechende numerische Simulation.
Identifizierung und Klassifizierung ("Pre-peak"-Bereich)
In dieser Studie werden 12 Voxeldaten-Schnappschüsse von geschädigten Proben, die aus der einachsigen Drucksimulation stammen, in 3 Phasen gruppiert (siehe Abb. 4). Die 12 entsprechenden degradierten Steifigkeitsfelder dienen als Input für die Vorwärtswellenausbreitungssimulation. Die Ultraschallwellensimulationen werden zur Erfassung eines Datensatzes von 972 Zeitreihensignalen verwendet, die mit Hilfe der Coda-Wellen-Interferometrie analysiert werden. Methoden des maschinellen Lernens wie Random Forests, Support Vector Machines und neuronale Netze werden verwendet, um einen Klassifikator zu trainieren, der den Grad der Beschädigung anhand der Coda-Signale identifiziert. Die Signale werden normalisiert, in Bilder umgewandelt und in ein neuronales Faltungsnetzwerk eingespeist, das eine Genauigkeit von 85% bei der Vorhersage der drei Schadensphasen erreicht. Allerdings gibt es immer noch einige Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen diffuser Mikrorissbildung und dem Zusammenwachsen von Mikrorissen (Phase 1-2), was zu einer Fehlklassifizierung von etwa 15 % führt (siehe Abb. 5).